Allgemeinverfügung des Oberbergischen Kreises zur Anordnung zusätzlicher Maßnahmen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 23.12.2020

Coronavirus: 10 weitere Fälle im Kreisgebiet bestätigt

Allgemeinverfügung des Oberbergischen Kreises zur Anordnung zusätzlicher Maßnahmen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 23.12.2020

Donnerstag, 24.12.2020

Gemäß §§ 28 Absatz 1 und 28a Absatz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), §§ 10 Absatz 5, 16 Absatz 2 und 17 Absatz 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 30. November 2020 sowie § 3 Absatz 2 Nr. 1 und Absatz 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung besonderer Handlungsbefugnisse im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler oder landesweiter Tragweite und zur Festlegung der Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz (Infektionsschutz- und Befugnisgesetz – IfSBG-NRW) vom 14. April 2020 in der jeweils geltenden Fassung wird im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) zur Verhütung der Weiterverbreitung und Bekämpfung von SARS-CoV-2 Virus-Infektionen folgende Allgemeinverfügung erlassen:

1. Gottesdienste und andere Versammlungen zur Religionsausübung als Präsenzveranstaltungen in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden Radevormwald, Bergneustadt und Gummersbach sowie Nümbrecht und Waldbröl sind untersagt. Ausgenommen sind Beerdigungen mit einer Höchstteilnehmerzahl von 25 Personen unter strenger Beachtung der geltenden Regelungen der Coronaschutzverordnung.

Für die übrigen Städte und Gemeinden des Oberbergischen Kreises wird den Kirchen und Religionsgemeinschaften dringend empfohlen, gleichermaßen auf entsprechende Präsenzveranstaltungen zu verzichten.

2. Zum Jahreswechsel 2020/2021 ist jede Verwendung von Pyrotechnik im gesamten Kreisgebiet im öffentlichen Raum untersagt.

3. Beschäftigte in vollstationären Pflegeeinrichtungen sowie in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe im Sinne des § 5 Absatz 2 CoronaSchVO haben grundsätzlich eine FFP2-Maske zu tragen, sofern in der Einrichtung eine Person positiv auf den SARS-CoV-2-Erreger getestet worden ist und die Beschäftigten Kontakt mit anderen Personen haben bzw. mit einem Kontakt rechnen müssen. Dies gilt auch für Kontakte unter den Beschäftigten oder zu Dritten.

4. Diese Allgemeinverfügung tritt am 24. Dezember 2020 um 0:00 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 10. Januar 2021 außer Kraft. Sie ist sofort vollziehbar.

Begründung:

Allgemein:

Ermächtigungsgrundlage für die Allgemeinverfügung sind §§ 28 Absatz 1 und 28a Absatz 1 IfSG i.V.m. 16 Absatz 2 CoronaSchVO.

Zuständige Behörde im Sinne der §§ 28 Absatz 1 und 28a Absatz 1 IfSG ist gemäß § 3 Absatz 2 Nr. 1 und Absatz 3 Nr. 1 IfSBG-NRW das Gesundheitsamt des Oberbergischen Kreises, da mit dieser Allgemeinverfügung Anordnungen für den Bereich mehrerer örtlicher Ordnungsbehörden erlassen werden und der Erlass der Allgemeinverfügung durch den Oberbergischen Kreis aus Gründen der unmittelbaren Gefahrenabwehr geboten erscheint.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft gemäß § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Unter diesen Voraussetzungen kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat bereits mit der Coronaschutzverordnung vom

30. November 2020, die zuletzt mit Wirkung vom 23. Dezember 2020 aktualisiert worden ist, auf der Grundlage von § 32 IfSG weitreichende Schutzmaßnahmen angeordnet, da sich in der Bundesrepublik Deutschland das Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) besorgniserregend entwickelt hat. Die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, dass sich der Erreger ohne die unverzügliche Einleitung von geeigneten Gegenmaßnahmen rasant ausbreitet und eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung, insbesondere für die zu der Risikogruppe gehörenden älteren und vorerkrankten Menschen, darstellt.

Gemäß § 16 Absatz 2 CoronaSchVO können Kreise und kreisfreie Städte, in denen die Zahl der Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen bezogen auf 100.000 Einwohner (7- Tages-Inzidenz) nach den täglichen Veröffentlichungen des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG NRW) über einem Wert von 200 liegt, im Einvernehmen mit dem MAGS NRW über die Coronaschutzverordnung hinausgehende zusätzliche Schutzmaßnahmen anordnen. Seit dem 14. Dezember 2020 liegt die 7-Tages-Inzidenz im Oberbergischen Kreis über dem Wert von 200. Aktuell beträgt dieser Wert 213,2 (Stand: 23.12.2020 – 00:00 Uhr nach LZG NRW). Daraus ist zu entnehmen, dass die derzeitigen Schutzmaßnahmen der Coronaschutzverordnung, deren Regelungen mit Wirkung ab dem

16. Dezember 2020 noch einmal verschärft worden sind, nicht ausreichen, um den weiteren Anstieg der Neuinfektionen aufzuhalten bzw. einen Rückgang der Infektionszahlen zu erreichen. Aus diesem Grund ordnet der Oberbergische Kreis mit dieser Allgemeinverfügung zusätzliche Schutzmaßnahmen an, die mit dem MAGS NRW abgestimmt sind.

Zu 1.:

Gemäß § 1 Absatz 3 CoronaSchVO obliegt es zunächst der Verantwortung der Kirchen und Religionsgemeinschaften, auf der Basis der Coronaschutzverordnung durch eigene Regelungen Neuinfizierungen in ihren Gemeinden zu unterbinden. Sie entscheiden grundsätzlich auch unter Berücksichtigung des lokalen Infektionsgeschehens, inwieweit Versammlungen in Präsenz durchgeführt werden können. Soweit jedoch keine oder nicht ausreichende Regelungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften existieren, kann die zuständige Behörde weitere Maßnahmen im Rahmen der Coronaschutzverordnung treffen.

Die Infektionszahlen in den Städten und Gemeinden Bergneustadt, Gummersbach, Nümbrecht, Radevormwald und Waldbröl liegen über dem kreisweiten Durchschnitt im Oberbergischen Kreis. Sofern die 7-Tages-Inzidenz im Oberbergischen Kreis auf diese Kommunen umgerechnet werden würde, beliefen sich die Inzidenzwerte in Bergneustadt auf 315,9, in Gummersbach auf 217,9, in Nümbrecht auf 247,0, in Radevormwald auf 219,0 und in Waldbröl auf 485,9. Die erhöhten Infektionszahlen sind nachweislich insbesondere auch eine Folge der Religionsausübung in diesen Städten und Gemeinden, bei der die gebotenen Schutzmaßnahmen nicht immer konsequent umgesetzt werden.

Ferner ist festzustellen, dass in dem an den Kreisnorden (Radevormwald) unmittelbar angrenzenden Städtedreieck Solingen, Wuppertal und Remscheid Inzidenzwerte bis zu 273,2 (Stadt Solingen) erreicht werden. In der Kreismitte (Bergneustadt und Gummersbach) sowie im Kreissüden (Nümbrecht und Waldbröl) gelangt die medizinische Versorgung durch die hohe Krankenhausauslastung an ihre Grenzen.

Aufgrund dieser Sachlage ist die befristete Untersagung von Präsenzgottesdiensten und vergleichbaren Veranstaltungen als Schutzmaßnahme geeignet und erforderlich, damit insbesondere an den Weihnachtsfeiertagen die Ausbreitung des Coronavirus durch religiöse Zusammenkünfte wirksam eingedämmt wird.

Die Durchführung von Beerdigungen mit einer Höchstteilnehmerzahl von 25 Personen unter Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln, insbesondere die Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern, die Praktizierung einer Handhygiene sowie das Tragen mindestens einer Alltagsmaske (empfehlenswerter ist eine FFP2-Maske), ist im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zulässig.

Von einer verbindlichen kreisweiten Untersagung religiöser Veranstaltungen wird abgesehen, da dieses aufgrund des Infektionsgeschehens in den von der Untersagung nicht erfassten 8 Kommunen noch unverhältnismäßig erscheint. Dennoch wird in diesen Städten und Gemeinden eindringlich gebeten, ebenfalls auf entsprechende Präsenzveranstaltungen zu verzichten, zumal ansonsten die Gefahr besteht, dass Gläubige für die Teilnahme an Gottesdiensten in Nachbarkommunen ausweichen werden und sich dort eine erhöhte Infektionsgefahr entwickelt. Falls sich die Kirchen und Religionsgemeinschaften dennoch in eigener Verantwortung für religiöse Präsenzveranstaltungen entscheiden, sind zumindest die Vorgaben des § 1 Absatz 3 CoronaSchVO strikt umzusetzen.

Zu 2.:

Mit der Änderung des § 22 Absatz 1 Satz 1 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz ist als eine notwendige Schutzmaßnahme ein für das Jahr 2020 geltendes, generelles Überlassungsverbot für Silvesterfeuerwerk an Verbraucher eingeführt worden. Zudem sind gemäß § 10 Absatz 5 CoronaSchVO zum Jahreswechsel 2020/2021 öffentlich veranstaltete Feuerwerke untersagt. Darüber hinaus kann nach dieser Norm das Gesundheitsamt des Oberbergischen Kreises als zuständige Behörde die Verwendung von Pyrotechnik auf näher zu bestimmenden Plätzen und Straßen untersagen.

Von dieser speziellen Ermächtigungsgrundlage macht der Oberbergische Kreis Gebrauch und untersagt jedwede Verwendung von Pyrotechnik im gesamten Kreisgebiet im öffentlichen Raum zum Jahreswechsel 2020/2021. Trotz des bundesweiten Überlassungsverbotes für Silvesterfeuerwerk an Verbraucher ist davon auszugehen, dass noch Pyrotechnik in einem Umfang zur Verfügung steht, welche bei Verwendung geeignet ist, zu einer ungewollten Menschenansammlung zu führen. Mit der Untersagung wird bereits die Ursache für eine entsprechende Menschenansammlung unterbunden. Die Untersagung wird auf das gesamte Gebiet des Oberbergischen Kreises erstreckt, da lokale Verbote mit großer Wahrscheinlichkeit lediglich zu einer Verlagerung von Menschenansammlungen führen würden.

Zu 3.:

Gemäß § 5 Absatz 3 CoronaSchVO besteht für das Pflegepersonal und weitere Beschäftigte vollstationärer Pflegeeinrichtungen sowie besonderer Wohnformen der Eingliederungshilfe bereits die Verpflichtung, beim unmittelbaren Kontakt mit den zu betreuenden Personen eine FFP2-Maske zu tragen. Die Pflicht zum Tragen einer FFP2- Maske wird insoweit ausgeweitet, dass alle Beschäftigten dieser Einrichtungen generell diese Schutzmaßnahme treffen müssen, sofern bereits ein bestätigter COVID-19-Fall in der Einrichtung aus dem Kreis der Bewohnerinnen und Bewohner bzw. Beschäftigten aufgetreten ist. Die FFP2-Maske ist dann stets zu tragen, auch wenn die Beschäftigten untereinander oder mit Dritten Kontakt haben oder haben könnten. Dies soll sicherstellen, dass sich das Coronavirus insbesondere nicht durch gemeinsame

Besprechungen, Pausen oder gemeinsames Umkleiden in der Einrichtung ausbreitet. Denn die Erfahrungen mit den Pflegeeinrichtungen haben gezeigt, dass die ansonsten umgesetzten Schutzmaßnahmen bei der nicht unmittelbaren Pflege gelegentlich Lücken aufweisen und es dadurch zu einem Infektionsausbruch kommen kann.

Zu 4.:

Die Geltungsdauer der Allgemeinverfügung ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes befristet und endet entsprechend der Laufzeit der Coronaschutzverordnung mit Ablauf des 10. Januar 2021. Die Allgemeinverfügung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar gemäß § 28 Absatz 3 i.V.m. § 16 Absatz 8 IfSG.

Hinweis auf bestehende Rechte:

Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden. Die Klage ist bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln schriftlich einzulegen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten/der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu erklären.

Die Klage kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht werden.

Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung-ERVV) vom 24.11.2017.

Weiterer Hinweis:

Die Klage hat gemäß § 28 Absatz 3 i.V.m. § 16 Absatz 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung, d.h. dass die getroffenen Maßnahmen auch im Falle einer Klage zu befolgen sind. Das Verwaltungsgericht Köln kann auf Antrag gemäß § 80 Absatz 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.

 

Gummersbach, 23.12.2020 gez.

Jochen Hagt Landrat